Steinerne Wüsten
Walter Vitt, 1974
Die Landschaften des Wolfenbütteler Malers Peter Tuma, geboren 1938, verbreiten Trostlosigkeit. Es sind Landschaften ohne Menschen, doch vom Menschen und seiner Unvernunft geprägt. Es sind Landschaften – unter Zement begraben, vergittert, verschnürt und verbrannt; Landschaften – von Dreckfluten überschwemmt und von kranken Organismen überwuchert. Dekadente Keimlinge stehen als Zeichen hoffnungsloser Verkrüppelung.
Diese Landschaften entstammen jener verdorrten, verödeten, verdreckten Szenerie, angesichts derer alles optimistische Bemühen eines Umweltschutzes nur als blanker Hohn betrachtet werden kann. Man muss kein romantisches Naturell haben, um den Verlust der Landschaft als Vorboten größerer Katastrophen zu begreifen. Man muss kein philosophischer Kopf sein, um sich unter dem Eindruck deformierter Natur veränderte Gedanken über Fortschritt und Fortschrittsgläubigkeit zu machen. »Es ist unsere Situation«, sagt Tuma auf die Frage, welche Formel er seinen Bildern zugrunde legen würde.
Der Begriff der Formel ist symptomatisch für Tumas künstlerisches Konzept. Diese Landschaftsbilder sind keine Wiedergabe wirklicher Landschaft, sondern stehen als Zeichen für Landschaft. Wenn sich bei Tuma Landschaften aus Betonklötzen oder Steinquadern zusammenfügen, so sind dies Chiffren für die vom Menschen zur steinernen Wüste verwandelten Natur. Wenn sich unter den Planen, mit denen diese Landschaften oft verschnürt sind, Wachstum regt, so wird hier hoffnungsloses Aufbäumen auf eine einsichtige Formel gebracht: die Natur versucht, der Verödung Herr zu werden, aber sie hat nicht mehr die Kraft, anderes als Deformiertes und Gestörtes hervorzubringen.
Walter Vitt, Peter Tuma, in: Kunstforum internationals Bd. 8/9, 1974, S. 178.